Screenforce Days: Der Blick in das neue TV-Zeitalter

23.06.2021

 

    14 Stunden Programm an vier Tagen. Antworten auf die großen Fragen von Streaming bis Nachhaltigkeit.

    Erstmals gingen die Screenforce Days als länderübergreifendes Digitalevent über die Bühne. In vier Tagen mit insgesamt 14 Stunden Programm haben die Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz einen umfassenden Einblick in die neuesten Trends und Entwicklungen rund um das Themenfeld Bewegtbild aus dem gesamten deutschen Sprachraum erhalten: Screenings der Sender, Keynotes und brandaktuelle Studien, wie die Bewegtbildstudie aus Österreich, brachten geballtes Programm auf alle Screens. Zur Rückkehr in die Normalität analysierten die Screenforce Days als erste Großveranstaltung die Veränderungen des Medienmarkts während der Pandemie und die künftige Rolle des TVs.

    „Die größten Screenforce Days in der Geschichte dieser Veranstaltung waren eine Komplettbetrachtung von Total Video mit wesentlichen Insights. Durch seine gesellschaftliche Relevanz und Verantwortung gewinnt TV eine noch stärkere Bedeutung für die Werbewirtschaft. Die Entwicklung der Sendermediatheken wird eine der größten Weichenstellungen in der Geschichte des Mediums für Werbetreibende, Broadcaster und Seherinnen und Seher“, fasst Screenforce-Österreich-Sprecher Walter Zinggl (IP Österreich) zusammen.

    Marken und TV wachsen gemeinsam

    „Marken gewinnen in der Krise. Als emotionaler Storyteller macht TV Marken“, leitet Screenforce-Geschäftsführer Malte Hildebrandt in das viertägige Event ein.

    In sechs Punkten fasst er die Zukunft des Fernsehens zusammen. Er sieht TV und Marken als Einheit. Durch Innovationen wie Adressable TV wird die Reichweite des Fernsehens mit der präzisen Ausspielung der digitalen Welt kombiniert. Reichweite, Umfeld und Daten bestimmen die Zukunft der Medienunternehmen, wodurch TV auch künftig im Zentrum effektiver Mediapläne steht. Im letzten Jahr hat TV deutlich gezeigt, dass es gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und Menschen in unsicheren Zeiten durch sauberen Journalismus und kuratierte Unterhaltung Orientierung gibt. Die detaillierte Wirkungsforschung gibt der werbetreibenden Wirtschaft Sicherheit und belegt, dass TV nicht durch andere Medien substituiert werden kann. TV schafft das sichere Umfeld, in dem Marken Haltung beweisen und den Konsumbedürfnissen der Menschen entsprechen können. Das Zusammenspiel aus linearem TV und Sendermediatheken (BVOD) sichert auch in Zukunft den Zugang zu allen Alters- und Zielgruppen. Die großen globalen Streaming-Anbieter befinden sich bereits in einem Verdrängungswettbewerb, der durch die beschränkte Zahlungsbereitschaft der Menschen verstärkt wird.

    Mehr als Hollywood-Filme: Die Stärken des TVs

    Autor Sascha Lobo sieht die starke Kraft des Fernsehens im Live-Gefühl, dem Community-Faktor rund um einzelne ikonische Personen auf allen digitalen Kanälen sowie die Inszenierung und Eventisierung durch das Zusammenspiel aus TV und sozialen Medien. Er spricht von einer laufenden Dekontextualisierung in Form kurzer Clips und Ausschnitten sowie sozialer Vernetzung. Institutionen wie Markus Lanz finden zusätzliche Verbreitung in sozialen Medien. Er rät dem Fernsehen, mit Selbstbewusstsein die eigenen Stärken aufzuzeigen.

    „Das Fernsehen verfügt über eine soziale, gesellschaftliche, politische und emotionale Kraft, die deutlich über dem reinen Ausspielen von Kinofilmen liegt“, meint Lobo über den Unterschied zu Streaming-Plattformen.

    Durch die Inszenierung von Größe und Relevanz, beispielsweise im Rahmen der UEFA EURO 2021 oder der Superbowl, ist TV anderen Werbeplattformen deutlich überlegen. Werbetreibende können von Streugewinnen profitieren, die bei engmaschigem Targeting verhindert werden. Er rät, weniger auf reine Daten und verstärkt auf Zielgruppen-Content zu setzen, da das menschliche Verhalten nicht exakt vorhersehbar ist. Lobo zieht Parallelen zum stationären Handel, der sich in der digitalen Welt neu erfinden muss.

    „TV wird von ausgebildeten Menschen mit journalistischer Ethik gemacht“, verdeutlicht Alena Buyx (Technische Universität München) den Unterschied zu Plattformen wie YouTube.

    TV-Vermarkter blicken in die Zukunft: Eigener Content ist entscheidender Vorteil im Wettbewerb mit globalen Plattformen

    Thomas Wagner (Seven.One Entertainment Group) räumt im Vermarktertalk mit Malte Hildebrandt mit dem Vorurteil auf, dass TV-Werbung teuer sein muss. Im letzten Jahr konnte sein Unternehmen rund 540 Neukunden begrüßen. Innovationen und Sonderwerbeformen ermöglichen den Kommunikationsauftritt am TV-Bildschirm auch mit kleinen Budgets. Matthias Dang (Mediengruppe RTL) erkennt keinen Widerspruch zwischen Branding und Performance, sowohl linear als auch nichtlinear. Als Beispiel nennt er die großen Onlinefirmen, die stark auf TV setzen und die Leistung von Kampagnen durch Klicks und Verkäufe unmittelbar messen.

    Susanne Kunz (Organisation Werbungtreibende im Markenverband) sieht Video als starkes Absatzmedium. Sie vermisst eine nationale Videoplattform, die Inhalte aller Sender bündelt, und eine integrierte Reichweitenmessung über alle Plattformen hinweg ermöglicht. Dang und Wagner stehen aufgrund der unterschiedlichen Plattform-Strategien der Sender einer nationalen Videoplattform mit Skepsis gegenüber. Die Sender setzen auf lokale Inhalte, gesellschaftliche Haltung, Aktualität und Live-Content, um sich klar von den US-Plattformen zu differenzieren. Elke Schneiderbanger (ARD Werbung Sales & Services) erkennt den Vorteil der TV-Programme für Werbetreibende in der hohen Qualität der Inhalte. Eine Platzierung im Umfeld der „Tagesschau“ werte Spots auf, die von hoher Wirkung im vertrauenswürdigen Premiumumfeld profitieren.

    Klaus-Peter Schulz (Organisation der Mediaagenturen) thematisiert das dynamische Wachstum der Spendings für Videowerbung und fordert mehr Werbeflächen in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren umfangreichen Archiven sowie Allianzen über die Medienhäuser hinweg. Line-Extensions durch kleinere, spezialisierte Sender federn den Reichweitendruck in den Medienhäusern ab. Sie erreichen Zuseher in den jeweiligen Nischen und sind eine sinnvolle Ergänzung zu den On-Demand-Angeboten, die Werbetreibenden einen defragmentierten Zugang zu ihren Zielgruppen ermöglichen. Als elementares Asset der TV-Sender sieht Dang den eigenen Content, über den weder YouTube noch Facebook verfügen. In der Nutzung der Userdaten sind die US-Digitalgiganten durch die europäische Gesetzgebung derzeit im Vorteil. Durch Datenpartnerschaften und Registrierungen in den Sendermediatheken sind die deutschsprachigen Sender gut aufgestellt, um transparente und vertrauenswürdige Daten zu bieten.

    Die Content-Reise geht weiter: Die Digitalisierung des linearen TVs

    Die Relevanz von TV habe im letzten Jahr massiv zugenommen, ist Susanne Aigner (Discovery) überzeugt. In Zeiten der Lockdowns war das Fernsehen eine der wenigen Möglichkeiten zum Eskapismus.

    „Die Unterscheidung zwischen linear und digital gehört der Vergangenheit an. Wir erreichen Menschen mit dem Content nicht mehr nur einmal, sondern können die User überall begleiten, wo sie sein wollen“, berichtet Aigner aus der Praxis.

    Eun-Kyung Park (The Walt Disney Company) hebt die gesellschaftliche Verantwortung des TVs hervor, das als Storytelling-Medium aktuelle Themen aufgreift und eine inklusive Wirkung hat. Mit dem Sender National Geographic unterstützt der Unterhaltungskonzern wissenschaftliche Forschung und erreicht mit dem „Earth Day“ jährlich über eine Milliarde Menschen. Andreas Bartl (RTLZWEI) holt mit Doku-Formaten Menschen in den Vordergrund, die am Rande der Gesellschaft stehen und leistet damit einen Beitrag zur Diskussion und gegen Ausgrenzung und Verachtung.

    Die Digitalisierung bietet für Discovery die Möglichkeit, Inhalte zur richtigen Zeit auf der richtigen Plattform auszuspielen, um die gewünschte Zielgruppe zu erreichen. Das hauseigene Content House optimiert die Contentverwertung über die gesamte Wertschöpfungskette. The Walt Disney Company setzt mit seinen Originals auf alle Plattformen und fokussiert verstärkt auf lokale Relevanz. RTLZWEI spielt Inhalte der beliebten Show „Love Island“ unter anderem auch auf YouTube, Facebook und Instagram aus und schafft durch die Verbreitung auf zahlreichen Kanälen die optimale Auswertung der Marke. Das Spiel auf der gesamten Klaviatur erhöht zwar den Produktionsauswand, um allen Zielgruppen die relevanten Geschichten maßgeschneidert auf der jeweiligen Plattform zu erzählen. Damit erreicht der Sender aber 80 Millionen Video-Views und stärkt die Marke. Durch „Total Video“ erreichen Marken wie „Germany’s Next Top Model“ enorme Reichweiten, die sich monetarisieren lassen.

    Henrik Pabst (Seven.One Entertainment Group) hat die Silos aufgebrochen und unterscheidet nicht mehr zwischen linear und digital. Ebenso wurden die Bereiche Reichweitensteigerung und Monetarisierung auch organisatorisch zusammengelegt, um effizienter und zielgerichteter zu arbeiten. Durch „Windowing“ werden Seher in ihrem bevorzugten Umfeld erreicht.

    „Auf den lokalen Märkten kennen wir unsere Seherinnen und Seher besser als jeder andere. Wir lachen und weinen mit ihnen, stehen mit ihnen auf und gehen mit ihnen schlafen. Unsere Gesichter transportieren unsere lokale Stärke. Das ist auch in Zukunft der Vorteil gegenüber den globalen Anbietern“, lautet der optimistische Ausblick von Pabst.

    Die Parallelnutzung zwischen linearem TV und Streamingangeboten ist für Aigner bereits heute Realität und bietet zusätzliche Möglichkeiten, Seher anzusprechen.

    Das lineare TV zeichnet sich durch Verlässlichkeit und Struktur aus. Die Kuratierung der Inhalte sorgen für einen Wohlfühlfaktor. The Walt Disney Company orientiert sich auf ihren Plattformen an den Bedürfnissen der User, wodurch sich eine stark differenzierte Programmierung zwischen Daytime und Primetime ergibt. Der Lean-Back-Faktor stellt auch für Bartl einen der großen Vorteile des linearen Fernsehens dar, den Seher in Zukunft noch stärker schätzen werden.

    Der Weg zu Video+

    Kerstin Niederauer-Kopf (AGF Videoforschung) gibt einen Ausblick auf die Reichweitenforschung der Zukunft. Aktuell steht das AGF-Videopanel im Zentrum der Reichweitenerhebung der linearen und nichtlinearen Nutzung am Big Screen. Bereits jetzt haben rund 45 Prozent deutschen Haushalte Smart-TVs, die Rückkanaldaten liefern. Dadurch kann die Nutzung im Panel stabilisiert werden. Durch weitere Konvergenzdaten werden auch Mediatheken erhoben, die in den AGF-Streaming-Hitlisten als Nettoreichweiten ausgewiesen werden. Diese geben Auskunft darüber, wie viele Personen im Erhebungszeitraum mindestens einmal Kontakt mit dem jeweiligen Format hatten. Die Messung der Streaminganbieter erfolgt über das AGF-Smart-Meter mittels Router-Technologie am Smart-TV, um das bestehende Streamingpanel zu präzisieren, das weitere Endgeräte abbildet.

    Die Verhandlungen der World Federation of Advertisers mit den großen Plattformen sind bereits weit fortgeschritten, um einen globalen Ansatz zur crossmedialen Reichweitenforschung umzusetzen. In dieser Konstellation soll eine transparente und unabhängige Prüfung der Reichweitenmessung realisiert werden, um Vertrauen bei Werbetreibenden zu schaffen. Das neue Panel soll die „Source of Truth“ („Quelle der Wahrheit“) werden und einen einheitlichen Standard schaffen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Datenschutz und den technologischen Möglichkeiten für die cookiefreie Zukunft. In der neuen Digitalmessung „Video+“ wird bereits jetzt Static Display erhoben, um Videoangebote der Publisher zu berücksichtigen. Erste Ergebnisse erwartet Niederauer-Kopf im Herbst 2021.

    Der Sinn des Fernsehens: Das neue Aha-Erlebnis

    In tiefenpsychologischen Untersuchungen analysierte Ines Imdahl (Rheingold Salon) die seelischen Funktionen des Fernsehens und den Mehrwert während der Covid-19-Pandemie. Dabei verglich sie die Mediennutzungsverfassung und erkannte, dass es nicht nur um Lean-Back geht. TV war eine aktive Nebentätigkeit neben der Hausarbeit, dem Essen, Arbeiten oder Lernen. Diesen Zustand beschreibt sie als „Get Things Done“. Dabei hat das Fernsehen motivierende und energetisierende Züge: Es half gegen die Einsamkeit und leistete Gesellschaft. Der große Bildschirm gab in Lockdown-Zeiten das Gefühl, von Menschen umgeben zu sein. Gerade in dieser Verfassung sind die Menschen aufgeschlossen für Neues, wodurch Werbung aufmerksam wahrgenommen wird.

    Als „Have Things Done“ beschreibt sie die traditionelle Lean-Back-Verfassung, in der das TV in der bewussten Auszeit eine Belohnung darstellt. Dabei wurden beispielsweise Serien zur gleichen Uhrzeit gesehen, um dem Tag Struktur zu geben und Rituale in der neuen Normalität einzuführen.

    „See Things Happen“ beschreibt das emotionale Miterleben von Live-Events wie Sportübertragungen. Es gibt Menschen das Gefühl, dabei und Teil der Gesellschaft zu sein.

    Die Pandemie hat die Menschen in eine Fassungslosigkeit getrieben, in der sie Hoffnung und Zuversicht suchten. Werbung schaffte Perspektiven und vermittelte, dass es weitergeht. Junge Menschen lernten Marken neu kennen, da die Werbung nicht so präzise auf sie zugeschnitten war wie im Internet. Das TV erlangte mit seinem Programmschema eine essenzielle Bedeutung in der Tagesstruktur. In der Monotonie des Alltags lieferte es Ersatzerlebnisse. Mit der Dauer der Pandemie kam es zu einer sozialen Stilllegung, in der TV als Nabelschur zur Welt das Gefühl von Einsamkeit reduzierte. Es lieferte Geschichten, die das eigene Leben plötzlich nicht mehr bot und Inhalte, über die sich die Menschen austauschen konnten. Zuletzt gerieten die Menschen in einen Verneblungszustand, in dem sie das Zeitgefühl verloren. TV half den Menschen, sich zu sedieren und von der zunehmenden Empörung abzusehen.

    Streamingdienste boten eine bunte Parallelwelt, die Intensivnutzer aus der Realität ausstiegen ließ, da sie kaum mehr Nachrichten verfolgten. Sie verstärkte den Vernebelungszustand.

    Großes Potenzial sieht sie in interaktiver Digitalität, beispielsweise in der fließenden Verbindung von First und Second Screen, um Möglichkeiten zu schaffen, die User aus dem Internet gewohnt sind. Durch die parallele Interaktion im Internet werden positive Emotionen und neue Markenerlebnisse geschaffen.

    „TV ist motivierend, lebensbegleitend, belohnend sowie echte Live-Time. Während der Pandemie war es Strukturgeber und glückliche Selbstsedierung“, fasst Imdahl zusammen.

    Das Internet lernt vom TV

    Trendforscher und Autor Peter Wippermann blickt in seiner Keynote „Tipping-Points of Total Video“ auf die prägenden Entwicklungen der letzten 15 Monate zurück. Die neuen digitalen Medien haben von der „alten“ TV-Welt gelernt: Immer mehr Streaming- und Videoangebote sind im Internet zu finden. Auch Netflix musste lernen und hat den Anteil der TV-Shows verfünffacht, weil die emotionale Beteiligung der Seher deutlich höher ist. Die Vorschläge der Algorithmen auf den Streamingplattformen wollen sich als Alternative zum kuratierten TV-Programm etablieren. Wippermann sieht Influencer und Creator als neue Form des Tele-Shoppings. Durch den technischen Fortschritt hat sich TV vom unadressierten Massenmedium durch Smart-TVs und Adressable TV zum individuellen Targeting-Wunder entwickelt.

    Technische Perfektion wurde in der Werbewirtschaft zur Selbstverständlichkeit. Dadurch rücken Persönlichkeiten weiter in den Vordergrund. Haltung und Brand Safety sind die neuen entscheidenden Faktoren für Werbetreibende, die selbst gefordert sind, gesellschaftliche Positionen zu beziehen. 75 Prozent der Generation Z wollen keine Marken mehr kaufen, die sich rassistisch oder homophob äußern. Werbetreibende setzen auf Nachhaltigkeit: Bis 2030 will die WPP-Group klimaneutrale Mediapläne realisieren.

    Direct-to-Consumer formt eine neue Zuwendungsstrategie, in dem Total Video eine prägende Rolle spielt, damit Unternehmen mit Konsumenten kommunizieren und interagieren können. Künstliche Intelligenz hilft dabei, individuelle Angebote für Konsumenten zu kreieren und sie persönlich zu beraten. Medien kommt als kulturellebn Plätzen eine Schlüsselfunktion zu, um Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl zu geben – vergleichbar mit Musikrichtungen, die früher einen Identifikationsfaktor darstellten.

    Der Konsum nach Corona

    Dirk Ziems (Concept M) untersucht bereits seit einem Jahr die Auswirkungen der Pandemie auf das globale Konsumverhalten. Am Rückweg in die Normalität wird erst seit Kurzem Erlerntes erhalten bleiben: Das neue Einkaufsverhalten ist ebenso Teil des künftigen Alltags wie der Wunsch nach einem neuen Naturerlebnis. Bereits vor Ausbruch der Pandemie gab es ein latentes Unbehagen mit der Konsumkultur. Covid-19 war ein Katalysator für Fehlentwicklungen. Die einschneidende Krisenerfahrung führte zu einem Umlernen. Maßlose Multi-Optionalität führte in der „Ära des gierigen Konsumenten“ zu einem wachsenden Konsumdruck und dadurch letztlich zur Sinnentleerung, Entkopplung und Entleerung. Die aggressive Maximierung ließ gesellschaftliche Ziele auf der Strecke. Als Gipfel des gierigen Konsums sieht Zirms das Aufeinanderfallen von „Black Friday“ und „Fridays For Future“. Die Pandemie führte zu einem Wandel von der Maximierungs-Kultur zur Rückbesinnungs-Kultur, in der die Suche nach Sinn- und Identitätsstiftung in den Vordergrund rückt. Sie ist geprägt von der Rückbesinnung auf das Wir, Achtsamkeit, Authentizität und Resonanz. Marken übernehmen im New Normal eine Lotsenfunktion und können ganze Branchen gestalten und den Wertewandel mitprägen, indem sie sich glaubwürdig mit sozialen gesellschaftlichen Zielen verknüpfen und Verständnis für die neue Stimmungslage zeigen. Enabling, Ecouragement, Empowerment und bewusster Konsum sind die neuen Leitwerte für Marken.

    Mediatheken als Zukunft für Werbetreibende

    Dev Sangani (Sky Media UK) und Ralf Hape (Sky Media Deutschland) analysieren, dass aktuell jeder deutsche Haushalt rund 2,5 bezahlte Streaming-Abonnements hat. Sangani erachtet die Obergrenze bei drei bis vier Abonnements. Er sieht die Zukunft in der Agglomeration von Services, wie Sky Q bereits Netflix oder Disney+ integriert. Sangani geht davon aus, dass die On-Demand-Angebote für Werbetreibende ein wesentlicher Schauplatz im relevanten und persönlichen Contentumfeld sein werden. Dabei werden vor allem konvergente Werbeformate deutliche Vorteile bringen. Insbesondere kontextbasierte Werbung wird durch die Abschaffung der Third-Party-Cookies von diesem Umfeld profitieren.

    Lokaler Content macht Mediatheken erfolgreich

    Beim anschließenden BVOD-Talk ging es um die Zukunft der Sendermediatheken. Tassilo Raesig (Joyn) erwartet Konsolidierungen auf technischer Ebene bei einer gleichzeitigen Diversifizierung der Inhalte. Auch er verortet ein überbordendes Angebot an Bezahlangeboten. Durch Joyn spricht der Sender neue Zielgruppen an und verlängert das TV-Erlebnis. Ralf Hape (Sky Media Deutschland) sieht die Zeit der großen Allianzen gekommen, um den Wünschen der User zu entsprechen, die mehr Orientierung im Content-Dschungel fordern. Henning Tewes (RTL Television) setzt bereits jetzt auf die starke Marke RTL, die auch auf das Streamingangebot unter dem Namen RTL+ ausgeweitet wird. Bereits jetzt werden eigene Produktionen für das Streamingangebot umgesetzt, um mit dem eigenen Angebot der transatlantischen Konkurrenz gegenzuhalten.

    Diana Degraa (Initiative Media) ist überzeugt, dass Video on Demand einen deutlichen Mehrwert bieten muss, da nach wie vor 80 Prozent der TV-Nutzung linear stattfindet. Sie sieht ein hohes Verlangen nach lokalem Content. Degraa erwartet, dass die US-Streaminganbieter durch Übernahmen von Studios und Produktionsfirmen ihre Kataloge massiv erweitern werden. Kurze Werbeblöcke, Erstausstrahlungen und qualitativer Content, steigende Reichweiten sowie crossmedial verknüpfbare Werbung machen Mediatheken und Streamingplattformen für die Initiative-Media-CEO zu attraktiven Werbeplätzen. Raesig bringt die hohe Akzeptanz der Werbung in Sendermediatheken durch kontextbasierte Ausspielung ins Treffen.

    TV wird nachhaltig

    Wie TV und Werbung ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten können diskutieren zum Abschluss des „Future Days“ mit Malte Hildebrandt (Screenforce Deutschland) Florian Haller (Serviceplan Group), Moritz Lemkuhl (Climate Partner), Peter Christmann (Media4Planet) und Kerstin Erbe (DM Drogeriemarkt). Sie spricht mittlerweile bevorzugt von Zukunftsfähigkeit als Nachhaltigkeit. Neben verantwortungsvoller Sortimentsgestaltung setzt DM Drogeriemarkt auf die Herstellung umweltneutraler Produkte. Zusätzlich zur Verkleinerung des Fußabdrucks investiert das Unternehmen im Rahmen seines Programms „Mission Zukunftsfähigkeit“ in Kompensation.

    „Nachhaltigkeit ist für die Konsumentinnen und Konsumenten kein Luxus- oder Modethema“, meint Haller.

    Haller vermisst das Thema Nachhaltigkeit in der Kommunikation vieler Unternehmen, die dadurch keine Antwort auf die brennenden Fragen der Konsumenten geben. Mit der Serviceplan Group bietet er bereits klimaneutrale Kampagnen an. Sein System „Green GRP“ steht dem gesamten Markt offen. Das Problembewusstsein für den Klimawandel sei bei den Unternehmen angekommen und es habe eine ernsthafte Auseinandersetzung begonnen, berichtet Lemkuhl aus der Praxis. Christmann weist auf die hohe Verantwortung der Medienbranche aufgrund ihrer enormen Reichweiten hin. Sie müsste nur 0,04 Prozent ihres 48 Milliarden hohen Umsatzes in Kompensationszahlungen investieren, um ihrer Vorbildrolle gerecht zu werden. In der gesamten Wirtschaft müssen sich die Zielsysteme weg von Shareholder Value hin zu ökologischen Maximen wandeln.

    „Unternehmen, die nichts für den Klimaschutz tun, manövrieren sich selbst aus dem Markt“, warnt Christmann.

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