Qualitätsjournalismus, gesellschaftlicher Wandel und Digitalisierung: viel Neues am TV-Bildschirm
20.11.2022
Drei Tage lang beschäftigte sich die zweite Screenforce Academy des Jahres mit den großen Themen, Krisen und Chancen unserer Zeit und blickt in die Zukunft von Total Video.
Bereits zum zweiten Mal war die Screenforce Academy heuer als interaktives Live-Event Anziehungspunkt für die Kommunikationsbranche und ihre Nachwuchstalente aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Vor dem Hintergrund permanenter Krisen, wirtschaftlicher Verunsicherung und gesellschaftlicher Umbrüche widmete sich das Erfolgsformat drei Tage lang nicht nur aktuellen Erkenntnissen aus der Werbewirkungsforschung, sondern auch brisanten Ereignissen wie der umstrittenen FIFA Fußball Weltmeisterschaft in Katar, politischen Übergriffen auf den Qualitätsjournalismus oder der Klimakrise. TV kommt auch im dritten Krisenjahr in Folge eine besondere Bedeutung zu, um den Menschen Orientierung zu geben, sie durch herausfordernde Zeiten zu begleiten und die Veränderung zum Positiven zu bestärken. Ganz gleich, ob „Bergwelten“ auf ServusTV oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ auf RTL Deutschland: Gesellschaftlich relevante Themen halten in nahezu allen Formaten Einzug und bewegen die Zuschauer zum Umdenken. Damit gewinnt TV auf allen Verbreitungswegen weiter an Relevanz für Werbetreibende und hat direkten Einfluss auf ihren wirtschaftlichen Erfolg. Die große Verbreitung von Connected TV bietet schon jetzt die technische Basis, um TV-Werbung nicht nur individueller zu gestalten, sondern Kampagnen mit Innovationen am TV-Bildschirm auch umwelt- und klimafreundlicher zu machen. Drei Tage im Zeichen hoher Verantwortung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, derer sich die TV-Macher bewusst sind und Insights in ihre Strategien und Lösungsansätze geben.
„Wir kennen im TV keine Routine – insbesondere in Zeiten, in denen Total Video als verlässliche Informationsquelle gefordert ist. Qualitätsjournalismus ist nicht nur im Informationsbereich zu sehen, sondern steckt hinter vielen Formaten. Gesellschaftliche Veränderung wird in Shows und in fiktionalen Formaten thematisiert. TV reflektiert die Gesellschaft und begleitet den Wandel“, so Screenforce-Deutschland-Geschäftsführer Malte Hildebrandt.
Jagd auf den Journalismus mit Gummiparagrafen
Charlotte Maihoff (RTL Deutschland) blickt auf langjährige Auslandserfahrung, unter anderem in Moskau (Russland), zurück. „Qualitätsjournalismus zwischen Schnelligkeit, Validität und Auslandseinsätzen“ ist der Titel ihrer Keynote, mit der sie die Screenforce Academy eröffnet. Die aktuelle Situation für Journalisten in Russland beschreibt sie als unberechenbar, weil Medienvertreter durch „Gummiparagrafen“ einfach aus dem Verkehr gezogen werden können. Seit Kriegsbeginn sieht sie eine starke Veränderung durch massive Interventionen der Sicherheitskräfte, die ihre Macht demonstrieren und gezielt einschüchtern. Die Festnahme von Journalisten wird von der Regierung unter anderem genutzt, um diplomatischen Druck zu erzeugen und Verhandlungen zu erzwingen.
Auch in Deutschland ist die Arbeit für Journalisten gefährlicher geworden, weil das Aggressionspotenzial auf Demonstrationen massiv gestiegen ist und Medienvertreter fast nur mehr mit Personenschutz berichten können. Trotz der Gefährdung mahnt Maihoff zur Berichterstattung durch verlässliche Medienmarken, um die Propaganda nicht Extremisten in alternativen Medien zu überlassen.
„Wir müssen genau hinschauen, was die Menschen bewegt und die großen Zusammenhänge verständlich machen“, beschreibt sie ihr Paradigma im Nachrichtenjournalismus.
Volltreffer: Sport1 macht den Kneipensport zum multimedialen Massenphänomen
Vor rund 20 Jahren hat der Sender erstmals die Darts WM übertragen und wurde seinerzeit noch dafür belächelt. Gemeinsam mit der Faszination Darts ist Sport1 gewachsen. Heute berichten nahezu alle Sender über das Sportereignis.
„Von Fans für Fans: Sport1 ist das Bindeglied zwischen dem Sport und der Community“, berichtet Jana Wosnitza.
Auch abseits des TV-Bildschirms macht Sport1 Darts ganzjährig zum Thema und verzeichnet 35.000 Downloads der eigenen Darts App und 4.000 User in der Online-Akademie. Sowohl auf den eigenen Plattformen als auch in sozialen Medien wird übergreifende Reichweite geschaffen, um neue Touchpoints mit Darts-Fans zu schaffen. Die großen Emotionen werden im TV erzeugt, während auf anderen Kanälen direkte Interaktion mit den Usern stattfindet, die sie involviert und aktiviert.
„Wir schaffen auf allen Kanälen die größtmögliche Bühne für den Sport und das maximale Erlebnis für die User. Damit wird Sport1 zur Autorität im Medienmarkt“, erzählt Lili Engels aus der Sport1-Redaktion.
Darts ist in der Redaktion allgegenwärtig und wird zur diesjährigen WM erstmals als digitales Public Viewing im Metaverse präsentiert werden. Essenziell ist für Engels der Dialog mit den Fans, der nur durch die Faszination und Passion der Redaktion für den Sport authentisch und auf Augenhöhe stattfindet.
„Programm für die Fans schafft Aufmerksamkeit und Relevanz. Das hohe emotionale Involvement der Community macht die Darts WM für die werbetreibende Wirtschaft relevant. Sport1 hat den breiten Fächer an Möglichkeiten aufgebaut, um die Fans im jeweils passenden Kanal treffsicher zu erreichen“, erklärt Riccardo Ferraro die erfolgreiche Vermarktungsstrategie des ehemaligen Kneipensports.
Umstrittenes Sport-Event: Die FIFA Fußball WM 2022 in Katar auf allen Ausspielwegen der ARD
Aus der ARD-Sendezentrale in Mainz blickt Thomas Wehrle (Das Erste) schon nach Katar, wo in wenigen Tagen der Ankick zur FIFA Fußball WM stattfindet. Hinter ihm liegen bereits rund 1,5 Jahre Vorbereitungszeit. Oberste Prämisse ist für ihn die Verpflichtung gegenüber den Beitragszahlern. Kritisch näherte man sich dem Austragungsort am 14. November 2022 bereits mit einem crossmedialen Thementag und sieht sich vor der umstrittensten WM der Gegenwart. Über große Sportereignisse versucht Katar, geopolitische Bedeutung zu gewinnen. Für das TV ist die Weltmeisterschaft in vieler Hinsicht eine Herausforderung: Es ist eine besonders kurze WM mit vier Spielen pro Tag in der Gruppenphase und einer erheblichen Zeitverschiebung. Der Spagat zwischen sportlicher und kritischer Berichterstattung fordert den Journalismus ebenso heraus wie die deutsche Nationalelf am Rasen. Dem reduzierten Budget steht eine wachsende Zahl an Ausspielkanälen gegenüber. Auch die Pandemieentwicklung und die strikte „No Covid“-Strategie des Emirats bergen Risiken in sich.
Multimedial, vernetzt, abgestimmt und synergetisch soll das Programmkonzept sein, bei dem viel Wert auf Flexibilität, Innovation und Effektivität gelegt wird.
„Die Berichterstattung wird kompetent und angemessen kritisch. Für Das Erste werden auch Investigativjournalistinnen und -journalisten aus Katar berichten. Wegschauen und Boykott sind keine Lösung!“, kündigt Wehrle an.
Im Radio setzt die ARD ebenfalls auf ein Zwei-Säulen-Modell mit Teams in Katar und Deutschland, die sowohl klassische Kanäle als auch Podcasts und andere Formate produzieren werden. Mit Julia Metzner wird erstmals eine Frau ein WM-Endspiel kommentieren. Über 30 Prozent Frauen werden in den Audio-Formaten zu hören sein. Im gesamten Audio-Team machen sie bereits über 40 Prozent aus. Unter Federführung des SWR wird die gesamte Programmplanung in Deutschland erfolgen, um kurze Wege zwischen den Schnittstellen zu ermöglichen und den Content bestmöglich auf allen Channels auszuwerten. Damit soll eine Berichterstattung aus einem Guss gewährleistet werden, die Mehrwert für die Zuschauer bietet. Im Zentrum steht das gemeinsame WM-Studio von ARD und ZDF, das unterschiedlich und sendertypisch bespielt wird.
Aufgrund der Rechtelage findet keine Übertragung auf Drittplattformen statt, womit der Mediathek ein hoher Stellenwert zukommt. Zusätzlich wird für soziale Medien emotionaler Near Live Content produziert, wobei die deutsche Mannschaft im Fokus steht.
Hinter den Kulissen des Lifestyle-Boulevards
Aus dem Nähkästchen des Star- und Lifestylejournalismus der Boulevardmagazine plaudert „taff“-Moderatorin Viviane Geppert (ProSieben). Der vielfältige Zugang zu Themen und Interviews mit Protagonisten des öffentlichen Lebens bietet nahezu grenzenlose Möglichkeiten, gesellschaftlich relevante Themen zu beleuchten. Inhalte aus den Nachrichtensendungen können emotionaler und nahbarer aufbereitet werden. Durch die positive Tonalität der Sendung lassen sich die Zuschauer leichter auf komplexe Themen ein und finden individuelle Zugänge.
Der Blick aus Produktionssicht
Stephanie Schettler-Köhler (Pantaflix) sieht bei CO2-reduzierten Green Productions noch Herausforderungen, die vor allem auf Lieferantenseite liegen. Zudem schlägt die galoppierende Inflation zu Buche und erhöht den Kostendruck auf Produktionen. Mit Pantaflix spezialisiert sie sich nicht mehr auf einzelne Mediengattungen, sondern deckt die gesamte Video-Palette von Kino über Streaming bis TV und Online ab. Qualitativ verortet sie keinen gravierenden Unterschied mehr zwischen den Ausspielplattformen. Vom Fortbestand des Kinos ist sie weiterhin überzeugt, da es durch das soziale Erlebnis eine eigene Publikumsschicht und eigene Liebhaber anspricht. Streamingdienste bieten neue Möglichkeiten, um Special Interest Content zu platzieren.
Die aktuelle Situation macht auch vor der Produktionsbranche nicht Halt. Themen wie Work-Life-Balance verlangen bei zeitintensiven Produktionen nach neuen Lösungsansätzen, um auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen und die Kosten nicht eskalieren zu lassen. Quereinsteiger sind bei Schettler-Köhler willkommen, weil sie neue Sichtweisen einbringen und die inhaltliche Diversität des Teams bereichern.
Gipfelstürmer zeigen, was wir bewahren und beschützen müssen
Seit einer Dekade erklimmt „Bergwelten“ neue Höhen auf ServusTV und hat sich als eigene Medienmarke mit einem eigenen Print-Magazin entwickelt, deren Inhalte weltweit lizenziert werden.
„Wir wollen die Menschen anhand der Protagonisten dazu animieren, die Natur neu zu erleben“, beschreibt Hans-Peter Huber (ServusTV) das Konzept der dokumentarischen Sendung, die atemberaubende Ausblicke von den Gipfeln und sehr persönliche Gespräche mit den Gipfelstürmern präsentiert.
Aus der Besteigung eines 7.000-ers entstand gemeinsam mit den Extremsportlern Alexander und Thomas Huber ein TV-Format, das mit eindrucksvollen Bildern auch die Gefährdung der Natur durch den Klimawandel aufgreift und für die enge Symbiose zwischen Mensch und Umwelt sensibilisiert. Hinter der Kamera stehen mit Max Reichel und Franz Hinterbrandner (Timeline Production) keine klassischen Produzenten, sondern selbst passionierte Bergsteiger, die für spürbare Authentizität sorgen.
„Die Bedingungen am Berg durch das Wetter und die Verhältnisse schreiben die Dramaturgie und bestimmen den Produktionsplan“, berichten sie.
Produktionen, die alle Jahreszeiten zeigen, erstrecken sich teilweise häufig über Monate und Jahre. Seit über zwei Jahren arbeitet das Team an der Produktion über die Eiger-Nordwand.
„Die Zusammenarbeit am Berg übersteigt das Bekannte: Das Team wird zu einer starken Seilschaft, in der sich Stärken und Schwächen ausgleichen“, erzählt Alexander Huber.
Jeder Kameramann muss selbst versierter Alpinist sein, damit die eindrucksvollen Bilder entstehen können und die Sicherheit zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist. Im Zentrum der Sendung steht immer der Respekt vor dem Berg. Die Produktion wird trotz aller Aufwendigkeit so umweltfreundlich wie möglich gestaltet.
„Wir müssen Ressourcen investieren, um Bewusstsein für den Naturschutz zu schaffen“, betont Huber.
Mit Empathie 2.0 in die neue Normalität
Das Zusammenspiel unterschiedlicher Krisen macht es nahezu unmöglich, Resilienz aufzubauen. Emotional explosive Debatten schüren Ängste, sorgen für Unsicherheit und zehren an der Psyche.
„‚Back to Normal‘ wird es nicht mehr geben. Medien haben die Kommunikationsmacht, um diesen Change-Prozess zu begleiten und zu gestalten. Sie definieren das neue Normal durch Rollenbilder, Schönheitsideale, Werte und Lebensstile, die sie zeigen“, ist Theresa Ebel (September Strategie & Forschung) überzeugt.
Empathie ist die Voraussetzung für bewusstes Handeln. Emotionale Empathie bezeichnet die Fähigkeit, sich in die Situation anderer einzufühlen. Kognitive Empathie lässt die Gefühle anderer analytisch verstehen. Soziale Empathie lässt es zu, sich in Gruppen hinzuversetzen und innerhalb dieser Ordnung zu funktionieren. Um die Gesellschaft weiterzuentwickeln, braucht es mitfühlende Empathie, die Handlungen auslöst. Die Grundvoraussetzung für jede Form der Empathie ist Selbstreflexion. Die Bereitschaft zu Veränderung ergibt sich aus Lustgewinn und Unlustvermeidung. Veränderung wird durch Autonomie und Selbstwerterhöhung begünstigt, während externe Kontrolle und Obrigkeit Abwehr hervorrufen. Medien können andere Lebensmodelle greifbar, verständlich und emotional erfassbar machen.
Unter „Empathie 2.0“ versteht sie, alle anderen abseits ihrer (beruflichen) Rolle im sozialen System als Menschen mit eigenen Geschichten und Bedürfnissen zu erkennen, um dadurch Empathie außerhalb der eigenen Bubble zu entwickeln. Das „Insider-Outsider-Phänomen“ lässt Menschen stärker mit ihresgleichen fühlen als mit Personen, die sich beispielsweise durch Herkunft, soziale Schicht oder religiöse Zugehörigkeit unterscheiden. Empathie dürfe jedoch nicht dazu ausufern, andere zu manipulieren oder sich selbst als Retter zu stilisieren. Mitgefühl muss die eigenen Grenzen kennen.
Das Verständnis von Normalität wird in der frühen Kindheit geprägt, in weiterer Folge jedoch maßgeblich von den Medien geformt. Sie zeichnen beispielsweise durch Rollenbesetzungen diskriminierende Stereotype. Gezielter Medienkonsum, beispielsweise durch das Hören von Podcasts mit Themen außerhalb der eigenen Lebensrealität, kann dazu beitragen, die eigenen blinden Flecken zu erkennen und den eigenen Horizont zu erweitern.
Gesellschaftliche Relevanz in Serie
Schauspielerin Chryssanthi Kavazi („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) sieht in der Daily Soap von RTL eine große Chance, Menschen Themen ohne erhobenem Zeigefinger näher zu bringen. Der Umgang mit seltenen Krankheiten, sexueller Orientierung, Rassismus, Diskriminierung oder häuslicher Gewalt kommt im reichweitenstarken Serienerfolg in mehr als 7.600 Folgen seit 30 Jahren ganz selbstverständlich vor und prägt das Verständnis von Normalität bei rund 2,8 Millionen Zuschauern täglich.
Forschung macht Content, der in Erinnerung bleibt
Wie Konsumenten ticken und was sie anspricht, untersucht Brigitte Bayer für RTL Deutschland mit ihrer People Insights Agency Like to Know, die über ein eigenes Teststudio verfügt. Auftraggebern steht als apparative Methode unter anderem ein Eye Tracking Center zur Verfügung, um die Wirkung von visuellen Effekten zu messen. Diese Methode kam unter anderem für die Screenforce-Studie „Track the Success“ zur Anwendung, in der die Werbewirkung auf unterschiedlichen Screens erforscht wurde. Das tiefgehende Verständnis der Zielgruppe durch persönliche Interaktion und qualitative Marktforschung ist für Bayer die Basis der Produktentwicklung, auf der die Kommunikation fußt. Mit dem Tool „Ad@Diver“ lassen sich Zusammenhang und Storytelling erheben, durch die das narrative Gehirn angesprochen wird. In der Forschung wird untersucht, welche Geschichte die Zielgruppe anspricht und letztlich erinnert wird. Elemente wie Reime, Claims oder ein Happy End sprechen emotional an und steigern die Erinnerung am Point of Sale.
Wirksame Kampagnen müssen durch gelungenes Storytelling sowohl emotionale Begehrlichkeiten wecken als auch Argumente zur Nachrationalisierung liefern. Ohne effektives Branding zahlt selbst die beste Geschichte nur auf die Produktkategorie ein und stärkt im schlechtesten Fall den Mitbewerb.
„Die Marke muss dann in Erscheinung treten, wenn der Spot positive Emotionen weckt“, erklärt Bayer.
Mentale Verfügbarkeit bestimmt über den wirtschaftlichen Erfolg
Damit Marken wachsen können, müssen sie möglichst einfach auf allen Vertriebswegen zu finden sein – am Point of Sale oder im E-Commerce (physische Verfügbarkeit). Mentale Verfügbarkeit beschreibt die Chance, dass der Konsument die Marke in der Kaufsituation wahrnimmt, wiedererkennt oder an sie denkt. Die mentale Verfügbarkeit wird durch die Assoziation einer Marke mit Eigenschaften und konkreten Verwendungsanlässen gefestigt.
„Wenn eine Marke mental verankert ist, wird die Kaufentscheidung intuitiv getroffen. Sie springt den Konsumentinnen und Konsumenten förmlich ins Gesicht und sticht aus der Produktvielfalt hervor“, beschreibt Gerald Neumüller (Seven.One Entertainment Group) die Wirkung der mentalen Verfügbarkeit.
Mentale Verfügbarkeit lässt sich nach den Indikatoren mentale Reichweite, Assoziationsspektrum, mentaler Markanteil und Assoziationsstärke messen. In einer aktuellen Studie von Seven.One Entertainment Group bestätigt sich die starke Wirkung auf die Kaufentscheidung und damit auf den wirtschaftlichen Erfolg der Marke: Je höher das Assoziationsspektrum ist, desto höher ist der Marktanteil der Marke oder des Produkts. Werbekontakte steigern die mentale Verfügbarkeit selbst bei Menschen mit Konsumerfahrung und begünstigen damit die Kaufentscheidung. Bei Konsumenten ohne Produkterlebnis sorgt TV-Werbung für einen massiven Uplift der mentalen Verfügbarkeit, da die Marke mit Assoziationen verknüpft wird. Durch den Werbekontakt werden die jeweiligen Markenbilder aufgebaut und nachhaltig gefestigt, wodurch sich das Markenimage erweitern lässt und neue Zielgruppen angesprochen werden.
Die Vermessung der Videonutzung
Mit der neuen Studie „Mapping the Moods“ knüpft Screenforce an die Wirkungsstudie „Track the Success“ von Karen Nelson-Field an. Erstmals werden spezifische individuelle Nutzungsmuster, sogenannte Moods, untersucht, die weit über Tageszeiten und Genres hinausgehen. Beim Konsum der gleichen Sendung zur gleichen Zeit unterscheidet sich die emotionale Verfassung der einzelnen Zuschauer. Die Moods erfassen den Nutzungsgrund, Stimmung, Nebenbeschäftigung, psychologische Bedürfnisse, Ziele der Videonutzung und Anzahl der Personen.
Insgesamt zehn distinkte Moods definieren die Forscher:
- Genüsslich entspannen
- Live-Erlebnis
- Informieren
- Sich beschäftigen/Dinge erledigen
- Routine/Tradition
- Persönliches Interesse
- Sich berieseln lassen
- Alltagssorgen vergessen
- Unterhaltung
- Zapping/Hängenbleiben
Im Tagesverlauf zeigt sich eine unterschiedliche Präsenz der Moods. In den Morgenstunden dominiert an Wochentagen die Information, während am Nachmittag die Nebenbeinutzung in den Vordergrund tritt. Samstagnachmittag zeigt sich durch Sport-Events das Live-Erlebnis stark ausgeprägt, während abends und am Wochenende Unterhaltung ausgeprägt ist.
Aus den Moods lassen sich Emotion und Konzentration ablesen und die vier Basismotive der Videonutzung definieren: Entlastung, Zeitvertreib, Genuss und Interesse. Entsprechend der jeweiligen Bedürfnisse können unterschiedliche Spots für eine Marke gezielt ausgespielt werden, um die Zuschauer in ihrer emotionalen Nutzungssituation anzusprechen.
Gemeinsam mit Concept M hat Eye Square zudem fünf Stimmungstönungen und mögliche Wahrnehmungen der Werbeblöcke auf Basis der Moods definiert.
- Störende Unterbrechung
- Willkommene Verschnaufpause
- Punktuelles Impulsangebot
- Belebende Abwechslung
- Tagträumerische Fantasie
Kommendes Jahr wird die Studie „Mapping the Impact“ die Zusammenhänge zwischen Kreation und Moods erforschen und Werbetreibenden sowie Agenturen entscheidende Insights zur Werbewirkung liefern.
Adressable und Connected TV können, was andere nicht können
Bereits 29,5 Prozent der Videonutzung in Deutschland entfallen auf Video on Demand, 6,3 Prozent auf zeitversetztes Fernsehen, acht Prozent auf Live Streaming. Lineares TV macht 55,1 Prozent aus. Die Änderung im Nutzungsverhalten zieht sich durch alle Altersgruppen: es wird selektiver und digitaler. Bereits 20 Millionen Smart-TV-Haushalte werden in Deutschland gezählt, sechs Millionen Peripheriegeräte machen TV-Screens smart. In Summe gibt es 26 Millionen Connected-TV-Haushalte, die eine Marktabdeckung von 67 Prozent ausmachen. SVOD (Subscription Video On Demand) hat den Markt für Connected TV geöffnet. BVOD (Broadcast Video On Demand) verlieh durch das hohe Interesse an den Inhalten der Sendermediatheken einen weiteren Schub. AVOD (Advertising Video On Demand) wird die Connected-TV-Verbreitung weiter rasant wachsen lassen. Neue Anbieter wie Pluto TV schlagen als Fast-Channel-Anbieter die Brücke zwischen linearem TV und der neuen digitalen TV-Nutzung.
HBB-TV-Ad-Server sind die Voraussetzung, um digitale Werbung auszuspielen, die Nutzung nach Einwilligung der User in Echtzeit zu messen und HBB-TV-Werbemittel auf ihren Screens zu platzieren. Klassische Display-Werbemittel können auf den TV-Bildschirm gebracht werden und lassen Digital- und TV-Kampagnen enger zusammenwachsen. Neben Geo-, Umfeld- und Re-Targeting liegt großes Potenzial in Metadaten, die sender- und plattformübergreifende kontextbasierte Zielgruppenansprache in Echtzeit ermöglichen.
Kürzlich wurde das herkömmliche Flugblatt des Lebensmitteleinzelhandels auf den TV-Screen gebracht, wodurch die wöchentliche Aktionswerbung klima- und umweltfreundlicher sowie effizienter wurde. Zusätzliche Möglichkeiten zur Verknüpfung von TV und Digital bieten QR-Codes und die gelbe Taste auf der Fernbedienung.
„TV ist absolutes Premiumumfeld und Brand Safety im Wohnzimmer. Bei Adressable TV ist die Ausspielungsqualität gewohnt hoch und für die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht vom linearen Werbeblock zu unterscheiden“, betont Michael Möller (Visoon). „Aus der One-to-Many-Kommunikation wird wieder eine One-to-One-Kommunikation mit hoher subjektiver Relevanz für die Konsumentinnen und Konsumenten.“
Als herausfordernd erweisen sich die vielen unterschiedlichen technischen Plattformen wie Apple TV, Play Station, Xbox oder Samsung Smart TV sowie die Vielzahl an Apps der OTT-Anbieter wie Amazon Video, Netflix oder Disney Plus.