Screenforce Day 2023: Kooperation ist die Revolution

18.05.2023

Journalistische Qualität schafft die Basis, Innovationen in der Reichweitenmessung die Verlässlichkeit, technische Entwicklung den Quantensprung in der Werbewirkung: Internationale Experten blicken in die Zukunft der Broadcaster.

    Videos zur Meldung auf 4gamechangers.io

    Über 250 Gäste begrüßten Josef Almer (Goldbach), Oliver Böhm (ORF-Enterprise), Joanna Jarosz-Bahr (ServusTV), Thomas Gruber (ATV), Michael Stix (ProSiebenSat.1 PULS 4) und Walter Zinggl (IP Österreich) zum Screenforce Day Österreich am 4GAMECHANGERS Festival am Mittwochnachmittag. Aktuelle Themen wie Künstliche Intelligenz, Deep Fakes und neue Zugänge zur Zielgruppe durch die gebündelte Reichweitenvermarktung standen am Programm des Live-Events, das die Stärke der kuratierten Broadcaster-Inhalte für Werbetreibende thematisiert und zeigt, wie TV-Unternehmen die digitale Transformation gestalten.

    „Kooperation ist das Gebot der Stunde. Der Screenforce Day kehrt nach der Pandemie live auf das 4GAMECHANGERS Festival zurück. Broadcaster bündeln in Österreich ihre Kräfte, um die enormen Reichweiten von kuratierten Video-Inhalten noch besser nutzbar zu machen und Werbetreibenden einen besseren Zugang zu hochwertigem Content und sicheren Qualitäts-Umfeldern zu schaffen“, begrüßte Screenforce-Österreich-Sprecher Walter Zinggl.

    „Gemeinschaftliche Initiativen wie Screenforce oder die neue Streamingplattform Joyn sind beispielgebend. Medienmarken dürfen sich nicht auf Verbote der Europäischen Union verlassen. Mit Kooperationen gestalten Broadcaster die digitale Zukunft und werden auch künftig auf allen Screens dominieren“, meint Christoph Keese (HY – The Axel Springer Consulting Group).

    Der Wert der Qualität im Journalismus: Einordnung und Verifizierung weichen der Gatekeeper-Funktion

    Philosophin und Autorin Lisz Hirn widmet sich im Fireside-Chat mit Stefan Kaltenbrunner (PULS 24), Gerhard Kohlenbach (RTL News), Theresa Ziegler (CANAL+) und Michael Fleischhacker (ServusTV) dem Qualitätsjournalismus.

    „Es gibt guten, sehr guten und schlechten Journalismus. Für guten und sehr guten Journalismus gibt es klare Regeln. Wer sie einhält, macht qualitativen Journalismus“, meint Kaltenbrunner.

    „Wir sprechen von ordentlichem Handwerk, das man erlernen kann. Der ergebnisoffene Zugang zu einem Thema ist der Beginn einer guten Recherche“, so Kohlenbach.

    „Das journalistische Handwerk ist die Basis, die von Influencerinnen und Influencern oder Content Creators unterscheidet. Wer Qualität und Mehrwert definiert, muss hinterfragt werden: Oft stellen die ‚Old White Guys‘ diese Kriterien auf“, ist Ziegler überzeugt.

    „Angesichts der technischen Möglichkeiten, Deep Fakes und Künstlicher Intelligenz werden die handwerklichen Qualitäten immer stärker gefragt sein. Journalismus erbringt eine Informationsdienstleistung. Qualität ist ein kaufmännisches Kriterium für den Erfolg eines Mediums. Über die Qualität entscheiden die Kundinnen und Kunden, die das Produkt kaufen. Daher braucht es Medien auf unterschiedlichen Niveaus, um alle Menschen anzusprechen“, erklärt Fleischhacker.

    Kohlenbach ist überzeugt, dass das Angebot entlang der Kundenwünsche gestaltet werden muss. Auch Fleischhacker bezeichnet den Bürger als Kunden und warnt vor einem pädagogischen Zugang der Medien. Ziegler sieht einen Bedarf gegeben, junge Zielgruppen auf Augenhöhe abzuholen und mental anzusprechen. Medienmarken müssen laut Fleischhacker zu „weltanschaulichen Glaubensgemeinschaften“ werden, um die Inhalte zu monetarisieren. Kaltenbrunner gesteht den Verlust der Gatekeeper-Funktion ein, da Informationen auf allen Kanälen verfügbar sind. Die Aufgabe der Medien sieht er in der Einordnung und Bündelung auf einem Kanal, wobei die Themen in allen Facetten beleuchtet werden. Kohlenbach sieht die Aufgabe des Journalismus in der Aufbereitung von Themen, die Relevanz haben. RTL investiert mit seinen über 1.300 Journalisten massiv in die Verifizierung der Inhalte und sieht einen steigenden Aufwand auf die Medienhäuser durch Fake News und technische Entwicklungen zukommen. Geschwindigkeit ist im News-Bereich der entscheidende Faktor, der nach hohen personellen Ressourcen verlangt, um die Fakten-Checks zu machen und die Inhalte in einem Kontext zu verorten. Um Information in Wissen zu konvertieren, braucht es menschliche Kompetenz und Erfahrung, die nicht durch Künstliche Intelligenz substituiert werden kann. In der Berichterstattung braucht es unabhängige Experten, die bei der Einordnung von Fakten unterstützen und die Glaubwürdigkeit der Medienmarke erhöhen. Sie bieten die Möglichkeit, sich Themen kompetent und mit kritischer Distanz zu nähern. Privaten Medien müsse im Gegensatz zum Öffentlich-Rechtlichen eine politische Haltung und Meinung als Teil ihrer ökonomischen Absicherung erlaubt sein, betont Fleischhacker.

    Die Ausgewogenheit und der Perspektivenreichtum der Berichterstattung wird durch mehr Diversität in den Redaktionen gefördert. Der Großteil der Journalisten stammt laut Kohlenbach aus einer links-liberalen Elite. RTL achtet auf größere Ausgewogenheit unter seinen 1.300 Journalisten, um alle Gesellschaftsschichten zu repräsentieren. Beispielsweise werden für angehende Journalisten Wohnungen in sozialen Brennpunktgebieten angemietet, um ihnen einen Einblick in die Alltagsrealität großer Bevölkerungsschichten zu geben. Die rein akademische Journalismusausbildung hält auch Fleischhacker für nicht ausreichend. Er empfiehlt sie als Post-Graduate-Ausbildung anzulegen, die auf bestehende Kenntnisse in Fachgebieten aufsetzt. Kaltenbrunner vermisst das Expertentum im österreichischen Journalismus, sieht die wesentliche Ausbildung jedoch in den Redaktionen. Prekäre Arbeitsverhältnisse im Journalismus begünstigen das Bildungsbürgertum in redaktionellen Karrieren, führt Ziegler aus: Die Anfangsjahre müsse man sich leisten können, um später vom Journalistenberuf leben zu können.

    „Künstliche Intelligenz bleibt und wird große Chancen bieten und im Datenjournalismus unterstützen. Der Auftrag und die finale Abnahme muss durch einen Menschen geschehen. Künstliche Intelligenz entbindet nicht von der journalistischen Sorgfaltspflicht, mehrere Quellen zu überprüfen“, urteilt Kohlenbach über die Potenziale neuer Technologien.

    „Automatisierung wird den Journalismus vor Herausforderungen stellen. Konsumentinnen und Konsumenten werden die Wahl zwischen automatisch erstellter und menschlich recherchierter und überprüfter Information bekommen“, blickt Fleischhacker in die Zukunft.

    Die Aktivierung der jungen Zielgruppe sieht Ziegler als größte Chance von Medien und Broadcastern. Lineares Fernsehen wird zum falschen Medium, um junge Menschen anzusprechen. Wo der Content ausgespielt werde, sei nicht mehr bedeutend, erklärt Kohlenbach. Die Aufgabe der Broadcaster liege darin, Menschen in ihrem Medienkonsum zu erreichen und sie aus ihren Echo- und Silokammern zu befreien. Im Begreifen von Innovationen und neuen Formen des Journalismus sieht Kaltenbrunner Potenziale für die Zukunft der Medienmarken.

    Die Quoten werden besser: Weltneuheit aus Österreich verändert das Verständnis von Reichweiten

    Mit Wolfgang Schiefer (PULS 4) diskutieren Shivvy Jervis (Futuristin und Innovationsprognostikerin), Christoph Keese (HY – The Axel Springer Consulting Group), Guido Modenbach (SevenOne Entertainment Group) und Tom Peruzzi (Virtual Minds) über die Komplexität der Reichweitenmessung. Panels allein bieten aufgrund der diversifizierten Mediennutzung nicht mehr die ausreichende Datenmenge, um den Medienkonsum abzubilden. Die Zukunft liegt in der Kombination der traditionellen Messung mit Big Data aus den Return Path Data der Smart TVs, um die tatsächliche Nutzung valide darzustellen. Der entscheidende Vorteil der österreichischen Innovation TV-Insight liegt in der permanenten Verfügbarkeit der Live-Daten. Panels repräsentieren in Hochrechnungen Stichproben, die kaum aussagekräftig sind, wenn die Abfrage sehr granular wird. Live-Daten von über einer Million Smart TVs in Österreich ermöglichen, das Nutzungsverhalten sehr spitzer Zielgruppen in Special-Interest-Programmen exakt zu analysieren. Mit dem Superstreamer Joyn hat ProSiebenSat.1 PULS 4 in Österreich eine neue Plattform geschaffen, die Live-TV und On-Demand-Konsum vereint und eine exakte Ansprache der Zielgruppe im gewünschten Content-Umfeld ermöglicht. In Aggregator-Plattformen finden lineares TV und On-Demand-Inhalte wieder zueinander, wodurch die Nutzung in der App intensiviert wird.

    „Broadcastern gelingt mit TV-LOAD die digitale Transformation und sie können selbst die digitale Realität gestalten und sämtliche Prozesse von Buchung über Ausstrahlung bis Abrechnung in einem System abwickeln“, führt Peruzzi aus.

    „Menschen wollen Personalisierung und individuelle Ansprache, bis zu dem Punkt, wo es zu konkret und intim wird“, betont Jervis.

    „Marken brauchen Massenreichweite, um zu wachsen. Die Weltneuheit aus Österreich bringt mehr Effizienz in der TV-Werbung und vereint das Beste aus den beiden Welten von linearem TV und Adressable TV“, erklärt Keese die Vorteile von TV-LOAD. „Weltweit ist die Monetarisierung von Inhalten durch Werbung nur in den Sprachen Englisch, Mandarin und Spanisch möglich. Sprachräume geraten unter einen existenziellen Druck, weil Medien sich durch die Erosion der Preise nicht mehr finanzieren. Diese Entwicklung ist für Demokratien brandgefährlich! Es braucht neue Zugänge zur Zielgruppe quer durch alle deutschsprachigen Medien, um sie für Werbetreibende attraktiv zu halten – und damit zu erhalten.“

    „Auf dem Big Screen findet ein Kampf um die Herrschaft statt, der durch den Content entschieden wird“, sagt Modenbach. „Formate wie ‚Jerks‘ werden in Joyn ebenso einfach zugänglich wie öffentlich-rechtliche Nachrichtenformate. Die einfache Verfügbarkeit von Inhalten vereinfacht Werbetreibenden die Ansprache ihrer Zielgruppe über eine Plattform im richtigen Kontext und Mindset.“

    Bisher gab es eine absolute Informationssymmetrie durch die gleichzeitige Verfügbarkeit von Informationen in einer überschaubaren Anzahl von Medien: Tageszeitungen konnte jeder zeitgleich zum gleichen Preis erwerben. Der Zugang zu Medien und Information wird künftig eine Frage der finanziellen Potenz sein.

    „Schlecht Informierte werden von Pseudo-Informationen kalmiert und haben keine Selbstreflexion über die Qualität ihrer Information. Die Möglichkeit, Informationen zu kaufen, entscheidet über den Wohlstand“, analysiert Keese.

    Die Wissenschaft der Motivation

    Shivvy Jervis, Futuristin und Innovationsprognostikerin, zeigt, dass die meisten Konversationen nicht mit anderen Menschen oder Medien, sondern mit einem selbst stattfinden. In der Aufmerksamkeits-Ökonomie geht es um die Fokussierung der Menschen. Dopamin ist der treibende Faktor für Interaktion und Aufmerksamkeit. Mangelnde Wertschätzung führt unmittelbar zu geringerer Aufmerksamkeit. Logik ist den emotionalen Zentren des Hirns situiert, weswegen Interaktion durch einen gefühlsbetonten Zugang verbessert wird. Der Überlebenstrieb im menschlichen Hirn bedingt, dass eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Inhalten erst nach einem subjektiven Gefühl der Sicherheit möglich wird. Wohlfühlelemente wie Familie, Erinnerungen und Freude steigern die Aufmerksamkeit.

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