Digital Video: Qualitative Wahrnehmung statt Content-Kastration auf globalen Plattformen

08.06.2024

Bei der „JETZT Audio + Video“ bricht Screenforce-Österreich-Sprecher Walter Zinggl (IP Österreich) herunter, warum erfolgreiche Video-Kampagnen große Bildschirme und Broadcaster brauchen und entzaubert Werbung in sozialen Medien.

    Am zweiten Tag der „JETZT Audio + Video“ von MOMENTUM Wien spricht Screenforce-Österreich-Sprecher Walter Zinggl über digitales Video in Österreich und reflektiert die Bewegtbildstudie von RTR Medien und Arbeitsgemeinschaft TELETEST.

    Mehr als drei Viertel der gesamten Bewegtbildnutzung entfallen dabei auf Broadcaster-Content in allen Verbreitungswegen. Von 223 Minuten Bewegtbildnutzung – quasi ein halber Arbeitstag – entfallen 172 Minuten auf Broadcaster-Inhalte; 150 Minuten davon auf klassisches Live-TV. Ganze 23 Prozent entfallen auf andere Videoanbieter, worunter auch illegale Plattformen und Adult Content fallen.

    „Der Content beeinflusst die Nutzungsdauer. 2024 haben die Streamingportale an Tagesreichweite erneut leicht verloren, während die Broadcaster stabile Werte ausweisen“, erklärt Zinggl.

    Kommunikation ist mehr als die Addition von Nutzungsminuten buchbarer Kanäle

    „Halbwissenschaftliche Fantasie ist das Optimieren von Promillepunkten potenzieller Reichweite. Kommunikation ist das Erreichen von Werbewirkung. Dafür braucht es das tragfähige und aufmerksamkeitsstarke Umfeld, das nur Broadcaster durch ihren journalistischen Anspruch bieten“, hält Zinggl fest.

    Impact entsteht durch Sichtbarkeit und Emotion

    Ein Paradebeispiel für die falsche Wahrnehmung von Werbung in sozialen Medien lieferte bereits vor Jahren Mark Ritson bei einem Medienkongress in Kanada anhand der Super Bowl in New Orleans, bei der sich ein Blackout ereignete. Als „Oreo“ zu diesem Zeitpunkt einen Link auf X postete, bei dem ein Keks im Licht erstrahlte, wurde es medial als großer Kommunikationscoup gefeiert. „Oreo“ startete mit 65.000 Followern, erzielte eine überschaubare Click Through Rate von 0,45 Prozent, die im Vergleich zum Durchschnittswert von 1,64 Prozent steht. Insgesamt 1.300 Follower haben tatsächlich die Anzeige gesehen. Der Post wurde auf X gerade 15.000-mal geteilt. Dadurch stieg die Gesamtreichweite auf 64.300 Menschen. „Oreo“ hat in den USA jedoch 40 Millionen Konsumenten, womit der Erfolg der Aktion in harten Zahlen alles andere als durchschlagend war.

     

     

    „Budweiser“ hingegen hat in einen 60-sekündigen und emotional berührenden TV-Spot investiert, der von 47 Prozent der 108 Millionen Zuschauer in voller Bildschirmgröße und mit Ton gesehen wurde. 50 Millionen Menschen haben ihre Aufmerksamkeit für eine ganze Minute einer Marke gewidmet, die durch exzellente Kreation und Storytelling Emotionen weckte und dadurch hohe Aufmerksamkeit erreichte. Der Spot im Umfeld des größten Live-TV- und Sportereignisses der Vereinigten Staaten erzielte einen messbaren, sehr hohen Impact, zahlte auf das Image der Marke positiv ein und blieb durch seine vorbildliche Inszenierung in Erinnerung.

    „Videos in fünf Sekunden kastrieren die Botschaften und ohne Ton werden Botschaften parodiert. Im nicht sichtbaren Bereich des Bildschirms kommt gar keine Botschaft an. Wenn drei Videos auf einer Seite ausgespielt werden, ist die Botschaft marginalisiert. Das ist die Realität der Werbung abseits der Broadcaster, wo Content und Werbung in voller Größe, mit Ton und im qualitativen Umfeld wahrgenommen werden“, so Zinggl.

    Plattformgerechte Nutzung führt zum Erfolg

    Mit Cosima Serban (Diginative) diskutieren am Panel Nicole Artner (UM Panmedia), Matthias Seiringer (ORF-Enterprise), Elisabeth Frank (IP Österreich), Katharina Krenn (Nestlé Purina) und Melanie Gegenleithner (Dentsu) über Digital Video.

    Broadcaster liefern eine Completion Rate von über 95 Prozent und 100 Prozent Viewability, womit sie allen anderen Videoplattformen überlegen sind. Über den Erfolg einer Videokampagne entscheiden Umfeld und Ausspielungsqualität. Neue Plattformen wie ORF ON, Joyn, ServusTV On oder RTL+ bieten die Usability, die eine hohe Akzeptanz für die Werbewahrnehmung schafft. Für die effektive Nutzung neuer Technologien wie Adressable TV wird es neue KPIs brauchen, wobei Attribution mehr Gewichtung als TKPs haben sollte.

    Mit Online-Only- und Online-First-Formaten wird der ORF auf der neuen Streamingplattform ORF ON künftig neue Umfelder schaffen, die eine noch granularere Zielgruppenansprache ermöglichen.

    „Streamingdienste hatten ein kurzes Hoch in der Pandemiezeit und stagnieren. Broadcaster gewinnen auch in den jungen Zielgruppen und sind mit dem Start der neuen Plattformen in der digitalen Zukunft angekommen. ORF ON hatte beim Launch über eine Million Downloads, die die Relevanz von qualitativen Inhalten für die User unterstreichen“, betont Seiringer.

    Video transportiert Inhalte und Emotionen auf einer zunehmenden Vielfalt von Plattformen. Gegenleithner sieht ein befruchtendes Zusammenspiel aus First und Second Screen. In der Entwicklung zu „Commerce Media“ ist Video das zentrale Element, um auf die Interessen der Konsumenten im Funnel einzugehen. Sie geht von einer stärkeren Personalisierung in der Zukunft aus, die Mehrwert für User stiftet.

    „Video muss eine Investition in Qualität sein, um den österreichischen Markt effektiv und tatsächlich zu erreichen in der Vielfalt der Angebote“, erklärt Gegenleithner.

    Krenn erkennt eine Transformation der sozialen Medien zu Videoplattformen, die eine Bandbreite von Entertainment bis Life Hacks anbieten und damit Relevanz in unterschiedlichen Nutzungssituationen haben. Nestlé Purina nutzt Digital Video zur Verlängerung der Customer Journey und Aktivierung, wobei das Unternehmen keinen eigenen Onlineshop betreibt. Abseits von Brandlift und Awareness bieten Videos die Chance, zu experimentieren und im realen Umfeld Produkte zu testen. Virtual und Augmented Reality werden ihrer Meinung nach die Videonutzung der Zukunft prägen.

    „Video ist dann erfolgreich, wenn es gesehen wird! Auftraggeber müssen das Ruder über die Ausspielung selbst in die Hand nehmen. Die Komplexität steigt durch das rasante Wachstum der Angebote“, bringt es Krenn auf den Punkt.

    Frank empfiehlt plattformrelevante Content-Aufbereitung, wobei sich die Frage stellt, wie Botschaften in fünf Sekunden vermittelt werden können. Sie sieht Agenturen gefordert, die Komplexität für Auftraggeber zu reduzieren. Die Kombination aus live und shopable im Zusammenspiel mit Gamification und Interaktion wird Video ihrer Ansicht nach zum Erfolgsfaktor in absatzorientierten Kampagnen machen.

    „Adressable TV steht noch in den Startlöchern, schafft aber über unterschiedliche Plattformen hinweg durch die Individualisierung der Inhalte nochmals höhere Aufmerksamkeit als klassische TV-Spots“, so Frank.

    Artner sieht Video omnipräsent und dadurch eine enorme Chance für Brands, das Engagement zu steigern. Broadcaster-Umfelder sieht sie als optimales Umfeld, um Awareness zu schaffen und die Interaktion über weitere Videokanäle fortzusetzen. Innerhalb einer großen Videostrategie braucht es eine intramediale Strategie, um die Plattformen im Zusammenspiel mit Broadcaster-Umfeldern gewinnbringend zu nutzen. KPIs sollten nicht generisch, sondern individuell festgelegt werden, um die Stärken von Video zu nutzen. Als Killer für die Beliebtheit von Marken definiert sie MidRolls, die bei Usern auf Widerstand stoßen und damit einen negativen Effekt erzielen. Aus Sicht einer global agierenden Agentur erkennt sie im asiatischen Raum neue Formate, die zukunftsweisende Interaktions- und Absatzmöglichkeiten bieten werden.

    „Digital Video verlangt nach Storytelling und Differenzierung, um sich als Marke erfolgreich zu positionieren und von einem tendenziell immer einheitlicheren Ad Clutter abzuheben“, rät Artner.

     

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